Ver-rückter Alltag … mit dem Raum_Wagen – ein Bericht aus dem Tau-Magazin
Von 11. August bis 2. September 2017 stand der Raum_Wagen mit dem Motto „Gib deinen Ideen Raum“ im historischen Zentrum von Neulengbach.
Ich liebe Wortspielereien – Raum_Wagen – den Raum wagen – oh! Das klang ja perfekt für mein persönliches Engagement in 2017 – #Bürger*innenbeteiligung. Punktgenau passend habe ich Hannah Kordes, Architektin und Initiatorin des Raum_Wagens, kennengelernt und mich in das rote Riesenbaby verliebt, den vier Tonnen schweren ehemaligen Feuerwehr-Veranstaltungswagen. Dieser wurde von Hannah zu einer Planungswerkstatt und einem Ideenlabor mit Küche, Werkstatt und flexiblem Innenraum umgestaltet und kann von Initiativen gebucht werden, um den öffentlichen Raum um eine temporär nutzbare Fläche zu erweitern – Demokratie auf Rädern.
Ich wollte den Raum_Wagen unbedingt nach Neulengbach holen. Von meinem persönlichen Budget konnte ich mir eine Woche davon leisten. Der Raum_Wagen war jedoch für drei Wochen zu haben. Damit war klar – ich brauchte Partner*innen, die ich in vielen Gesprächen und Sitzungen in Martha Gruber, Günther Frank und Georg Brutschy (alle Mitglieder der Aktiven Wirtschaft Neulengbach) gefunden habe. Offensichtlich hab ich lange genug gesagt: „Ich zahle eine Woche und ihr zahlt zwei Wochen und dann machen wir ein tolles Programm.“ Ich weiß noch, wie Martha sagte: „Na dann mach ma das jetzt.“ Und Gudrun meinte: „Des wird a Eigendynamik entwickeln.“ Und so war es.
Mein Auftrag lautete: 22 Tage Programm von 9 Uhr bis mindestens 18 Uhr – tatsächlich wurde es an ganz vielen Abenden viel, viel später; denn der Raum_Wagen wurde zum öffentlichen Wohnzimmer der Bevölkerung. Man muss das einmal wirklich selbst testen, was es heißt: Raum wagen und Raum geben, um zu begreifen, wie sich das anfühlt. Was im Raumgeben entsteht, im Ganz-da-und-offen-Sein, Zuhören, Auf-Menschen-Zugehen, sie Redenlassen, ist dieser Raum der Zwischenmenschlichkeit, der Wahrnehmung des Gegenübers. Es zu tun ist möglich, wer aber glaubt, dass dies ohne Gegenwind passiert, täuscht sich. Öffentlichen Raum zu besetzen und dann diesen Raum weiterzugeben führt zu den unterschiedlichsten Reaktionen. Verwunderung, Unverständnis, Zweifel, Sorgen, aber auch Wagemut, Freude, Interesse, Zuspruch, Unterstützung, Herzlichkeit, Neugierde und Begegnung waren präsent. Ich habe Raum gewagt und Vertrauen gewonnen. Damit das möglich wurde, brauchte es Vertrauen von den Projektplanenden und Gewerbetreibenden in das ungewohnte Format und in die Bevölkerung. Der frei gemachte Raum wurde unter dem Motto „Gib deinen Ideen Raum“ ausgiebig genutzt und das Vertrauen wurde in Form von Kreativität und Ideen zurückgegeben. Ich habe mich noch selten so getragen, unterstützt und im Fluss gefühlt wie in der raum_wagenden Zeit im Zentrum. Die Organisation und die Übergabe an andere, die den Wagen nutzten, war einfach und leicht, es war ein miteinander Raumnutzen und Raumgeben, ein gegenseitiges Unterstützen und Zur-Verfügung-Stellen von Ressourcen. Es hat sich so etwas wie eine „raum_wagende Community“ gebildet.
Wirklich oft kommuniziert wurde der Wunsch nach einem gemeinsamen Platz im öffentlichen Raum, wo getratscht und geplaudert werden kann, OHNE konsumieren zu müssen. Die Menschen wünschen sich einen Ort im Freien, wo sie sich treffen können zum einfachen Austausch. Ich habe es selbst mehrfach erlebt, wie sich das anfühlt, in der Öffentlichkeit einer Diskussionsrunde beizuwohnen – das hat ein ganz besonderes Flair